Da stand er in der Tür, ganz unschuldig, druckste ein leises „Hallo“ und betrat zum ersten Mal unser Reich. Klein und schmächtig, zumindest um einiges schmächtiger als meiner. Seine Mama schubste ihn über die Schwelle meiner Haustür. Veronika, Monika, Maja??? Ehrlich gesagt hatte ich mal wieder keine Ahnung wie diese, immer hübsch frisierte und stark geschminkte, Mutter tatsächlich hieß. Als Morgenmuffel ist die Wahrnehmung vor dem Frühstück etwas geschwächt, man quält sich inklusive Kind zum Kindergarten, nimmt rechts und links ein paar Konturen wahr, kurzes Abschiedsbussi, winken und dann erstmal KAFFEE…
Und nun steht dieses fremde Kind mit Mutter an einem wunderschönen, sonnigen Nachmittag in meiner Wohnung. Der neue beste Freund meines Sohnes. Zumindest seit 2 Tagen. Aber was soll´s?! Natürlich unterstützt man die Kontaktaufnahme zu anderen Kindern, notwendig für die soziale Entwicklung des Nachwuchses. Und es gibt als Mutter nun mal gewisse Ängste. Dazu gehört auch die, dass dein Kind keine Freunde hat. Und aus diesem Grund, es ist wie ein Urinstinkt, versuchst du die ersten Jahre krampfhaft die sozialen Kontakte zu pflegen wie zarte Pflänzchen. Du bäckst, du lädst ein, du begleitest und sitzt gefühlt 7 Tage in der Woche nett lächelnd bei fremden Mamas auf fremden Couchen, stets in der Hoffnung, dass diese Zeit bald ein Ende nimmt.
Nun steht dieser kleine Junge in meiner Wohnung und inspiziert alles. Wie die Mutter, die sich recht schnell zu einem wichtigen Termin verabschiedet hat. Wahrscheinlich ist der Nagellack abgeblättert. Wobei ich nicht unbedingt böse bin und die Hoffnung habe, mich mit meinem Buch auf den Balkon verziehen zu können, sobald die Kleinen anfangen zu spielen. Ja, immer diese Hoffnungen, die haben wir alle.

Eine heiße Schoko und einen Muffin später sieht es auch ganz danach aus, dass sie nun endlich bereit sind zu spielen. Wie schön. Könnte klappen. Ich schnappe mir also mein Buch, da höre ich schon ein lautes „Mamaaaaa, der Joni muss Kakaaaaa!!!“ Richtungswechsel. Ist ja kein Problem, wohl in der Vorschule schon alt genug alleine die Toilette aufzusuchen. „Mama macht mir aber immer den Popo sauber“, sagt Joni und guckt mich mit erwartungsvollen Augen an. „Die Mama ist aber gerade nicht da. Ich bin mir sicher, dass du das alleine kannst“, versuche ich zu überzeugen. „Aber Mama sagt, ich kann das nicht gut, dann geht alles kaputt, kannst du sie anrufen?“, versucht er mich zu überzeugen. „Ne, du bist doch ein großer Junge, du kommst bald in die Schule und da kann Mama auch nicht kommen. Du bekommst das hin!“ Ich fühle mich wie ein amerikanischer Motivationstrainer. Mit jedem Satz wächst die Überzeugung. Also meine, seine eher nicht. Aber es wird und so lässt er sich darauf ein, alleine die Toilette aufzusuchen. Richtungswechsel, Balkonien ruft. Geschafft. Ich schlage die erste Seite auf, lese die Einleitung. Ja, es wird ein gutes Buch. Da ertönt ein schrilles „Maaaamaaaaa, schnell, kommmm her, schnell!!!“ Das Geschrei reißt mich förmlich aus dem Stuhl und ich stolpere vor Panik durchs Wohnzimmer. Da sehe ich es schon, die offene Toilettentür macht den Blick frei auf die überlaufende Toilettenschüssel. Das Wasser läuft, es schwappt über, der Boden schwimmt. Und mittendrin der kleine Joni, der unentwegt auf die Spülung drückt in der Hoffnung, dass das Desaster einfach ein Ende nimmt und alles in dem Loch verschwindet: „Hab nur bisschen mehr Papier genommen.“

2 Stunden später, verschwitzt vom Wischen und Putzen, öffne ich der frisch gestylten Mutter die Tür. Sie lächelt milde als ich ihr von diesem Fauxpas erzähle. Und schließlich stellt sie fest, dass sie es in der Eile vergessen hat zu erwähnen, dass ihr Sonnenschein sich nicht alleine den Popo abwischt. Das hätte noch Zeit. Er macht es dann, wenn er soweit ist.